Vor ein paar Tagen bin ich auf den schweizerisch-britischen Schriftsteller Alain de Botton gestoßen. Der scheint sich nach ein paar literarischen Experimenten dem Projekt verschrieben zu haben, seine Leserïnnen in einer Reihe von Non-Fiction-Büchern an die Vernunft vieler Dinge zu erinnern, die wir eigentlich immer auch schon wissen: dass wir mehr unterstützende soziale Beziehungen benötigen und dafür geeignete Räume schaffen müssen, dass Schönheit als pädagogisches Instrument genutzt werden kann, dass Religionen diesseits ihres transzendenten Glaubenskerns wichtige Einsichten über persönliche Entwicklung und soziale Gemeinschaften verkörpern und deshalb als Steinbruch für soziale Innovationen genutzt werden können, dass Bewältigungsstrategien, die uns in der Kindheit und Jugend geholfen haben, nicht unbedingt auf das Erwachsenenalter übertragbar sind, usw. usf.
Mit diesen und anderen Botschaften tingelt de Botton auch durch Talkshows und über TED-Bühnen. Um sein Programm zu verbreiten, hat er eine School of Life gegründet. Auf der Website gibt es vor allem feuilletonistische Betrachtungen und Ratgebertexte zu allen möglichen alltäglichen Lebenssituationen. Die Niederlassungen – eine davon hier in Berlin – bieten neben allerlei Konfektionsware im Bereich Selbsterfahrung auch teurer verkaufbare Managementschulungen und den üblichen New-Work-Kitsch an. Das wirkt zumindest auf den ersten Blick nicht wirklich überzeugend.
Wenn man ein bisschen googelt, stellt man schnell fest, dass de Botton bei britischen Intellektuellen keinen großen Respekt genießt: He’s stating the bleeding obvious, spotten sie über ihn. Klar, die programmatische Kompromissfähigkeit und unverschämte Harmlosigkeit seiner Botschaften macht ihn zu einem idealen Hausphilosophen der Konservativen. Aber trotzdem und auch wenn ich noch nicht viel von ihm gelesen habe, finde ich seine Mission im Grundsatz nachvollziehbar und sympathisch. Ich bin ja selbst ein großer Anhänger davon, sich auf das Offensichtliche zu besinnen und es für persönliches Wachstum ebenso wie für politische Entscheidungen und Handlungen nutzbar zu machen. Der Philosoph Donald Davidson hat nachgewiesen, dass all unsere Kommunikation auf einer geteilten Wissens- und Wertebasis beruht und nur solange funktioniert, wie wir Grund dazu haben, ein Prinzip der wohlwollenden Interpretation anzuwenden. Wir können gerade beobachten, wie toxisch es ist, wenn diese Gemeinsamkeiten aufgekündigt werden. Insofern halte ich einen nachdrücklichen Appell zu fortgesetzter Selbsterkenntnis, persönlichem Wachstum, menschlicher Reife und mehr emotionaler und sozialer Zugewandtheit für eine gute und ausbaufähige Sache.