Aus der Vergessenheit

Was Musik angeht, bin ich faul geworden. Akute spezifische Bedürfnisse befriedige ich bei Spotify oder Youtube. Und wenn es einfach nur um einen stimmungsgerechten akustischen Hintergrund geht, vertraue ich mich meinen favorisierten Internetradio-Netzwerken an: Radio FIP und Soma.fm mit ihren verschiedenen Kanälen, und gelegentlich das Detektor.fm Musikprogramm oder der Radio Paradise Global Mix. Funktioniert eigentlich immer.

Heute allerdings stand mir plötzlich der Sinn nach Kruder und Dorfmeisters K&D Sessions, und die gibt es ja bekanntlich nicht so ohne weiteres auf Spotify. Was tun? Meine CD-Sammlung aus den 1990ern und frühen 2000er Jahren war zwar lange nicht so umfangreich wie die Vinylsammlung vorher. Von der hatte ich mich schon in den 90er Jahren und ohne großen Schmerz getrennt. Aber ich besaß ein paar CDs, und ich habe diese bruchgefährdeten Plastixboxen mindestens ebenso inbrünstig gehasst wie die für Staub und Kratzer anfälligen Schallplatten. Also auch abgeschafft.

Dann ist mir zum Glück eingefallen: In der kurzen Zwischenphase, als es schon leistungsfähige externe Festplatten gab, aber die Streamingdienste noch nicht den Leistungsumfang hatten, dass man sich ihnen vollständig anvertrauen wollte, hatte ich die meisten meiner CDs (darunter die K&D Sessions) und die diversen Downloads auf meinen Rechnern auf ein USB-Laufwerk transferiert. Das hing dann auch kurzfristig in unserem Teufel-Heimnetzwerk. Bis ich es bei irgendeiner Auf- oder Umräumaktion für überflüssig befunden und ausgemistet habe.

Das Interface der frühen 00er Jahre: der Winamp-Player

Nach kurzer Suche habe ich dann in einer der unteren Schreibtischschubladen ganz hinten auch die entsprechende Western-Digital-Disk gefunden und kurzerhand wieder an meine Fritzbox gehängt. Und sieh an, es gibt neben den K&D Sessions auch noch andere Dinge wiederzuentdecken: Anfang der 00er Jahre war ich irgendwann auf Epitonic gestoßen, eine Downloadplattform aus San Francisco mit viel wirklich herausragender Musik aus der US-Indieszene. Dutzende dieser Tracks haben auf meiner Festplatte überwintert. Leider war Epitonic 2003 in die falschen Hände geraten, 2004 vorläufig eingestellt worden, und nach einem kurzen Wiederbelebungsversuch im Jahr 2010 ist es mittlerweile endgültig eingeschlafen. Niemand hat sich die Mühe gemacht, die Schätze rechtzeitig beim Internet Archive zu sichern.

Eine weitere Fundsache sind mehrere Jahrgänge der umfangreichen jährlichen Survey Mixes, die ich aus Matthew Perpetuas Fluxblog heruntergeladen hatte. Das sind unfassbar tolle Ressourcen, die es mittlerweile nicht mehr zum Download, aber zum großen Teil als Playlists bei Spotify gibt. Leider ist Perpetuas Spotify-Profilseite etwas unaufgeräumt und auch die Spotify-Suche ist nicht sehr verlässlich. So muss man ein bisschen herumsuchen und ggf. auch Google mobilisieren, um dort die gewünschten Jahre zu finden.

Anyway, das Resultat ist, dass ich gerade eine kleine Zeitreisen in die Jahre meines musikalischen Aufwachens unternehme, in die späten 1960er und frühen 1970er. Bei Perpetua ist man in sehr guten Händen, und obwohl er überwiegend Tracks aus Rock und Pop eingesammelt hat, findet man bei ihm auch gelegentlich Jazztitel oder experimentelles Zeug (damals noch: Underground). Und danach werde ich mit mehr Geduld und meinem Epitonic-Archiv in die US-Indieszene der frühen 2000er Jahren eintauchen.

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