In der Altstadt von Palermo gibt es ein kleines Museum über die Mafia, das gerade auch eine Ausstellung über die Banditen auf Sizilien zeigt. Als Nachbereitung zu unserem Aufenthalt auf der Insel und meinem Besuch dieser Ausstellung habe ich mir gerade Francesco Rosis Salvatore Giuliano aus dem Jahr 1962 angesehen. Der Film zeichnet die wichtigsten Etappen der Geschichte des in den Nachkriegsjahren legendären sizilianischen Outlaws und seiner Bande nach. Er ist eines dieser großartigen Stücke neorealistischer italienischer Filmkunst, bei denen einem die Defizite ungescheit hochgerüsteter Hollywood- oder Netflixproduktionen erst richtig bewusst werden.
Rosi hat in dem semidokumentarischen Schwarzweißfilm überwiegend mit Laiendarstellern gearbeitet, viele aus der Region oder sogar mit einem direkten Hintergrund in Giulianos Heimatstadt Montelepre. Auch die sizilianische Landschaft und die vielen Originalschauplätze geben dem Film eine hohe Authentizität und Unmittelbarkeit. Zum Beispiel Porta della Ginestra, wo Giuliano und seine Bande 1947 ein Massaker an Kommunistïnnen verübt haben, die sich dort zum 1. Mai versammelt hatten.
Anders als Michael Ciminos auf den ersten Blick ziemlich unerträglicher Film The Sicilian aus dem Jahr 1987 vermeidet Rosis Werk jede Heroisierung des Banditen. Im Gegenteil, die Person Giuliano wird weitgehend ausgeblendet, man bekommt ihn eigentlich nur als schemenhafte Figur im Kreise seiner Bande und als Leiche zu sehen. In den Vordergrund rücken andere Akteure, politische Drahtzieher, verschiedene Sicherheitsbehörden, die Mafia. Auch dadurch wird der Film zu einem politischen Kunstwerk, bei dem es vor allem um soziale Konfigurationen und Schauplätze, um Macht und um Armut geht.
Mich hat Salvatore Giuliano sehr an ein anderes Meisterwerk aus jener Zeit erinnert: Vier Jahre später erschien Gillo Pontecorvos epischer Film The Battle of Algiers, ebenfalls von einem italienischen Regisseur, ebenfalls überwiegend mit Laiendarstellern gedreht, und für mich eines der eindrücklichsten Filmerlebnisse überhaupt.